Kreuz als Erinnerung an Mord
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Wenn ihr vom Domplateau in Limburg die Treppe runter zur alten Lahnbrücke geht, befindet sich links an der Mauer recht unscheinbar ein Kreuz in den Stein gehauen.
Der Heimathistoriker Klaus Lanio hat die längst vergessene Geschichte dieses Kreuzes recherchiert. Dieses Kreuz erinnert an einen Mord. Durch seine Recherchen und das Augenmerk auf dieses Kreuz weist inzwischen auch eine Gedenktafel auf die Geschichte hin.
Manchmal sind es Kleinigkeiten, welche uns im Alltag gar nicht bewusst sind. Wir laufen an Orten vorbei, ohne uns diese genauer anzusehen. Manchmal wissen wir gar nicht, dass sich direkt vor unserer Nase etwas interessantes befindet. So erging es mir mit diesem in den Stein gehauene kleine Kreuz, welches sich eigentlich an exponierter Stelle befindet, welches mir aber vorher nie so aufgefallen ist. Auf einer Höhe von 1,20 Meter findet sich dieses kleine Kreuz. Es ist 13 mal 10 Zentimeter groß und wirkt eingerahmt. Jetzt mit einer Hinweistafel versehen achtet man vielleicht nochmal eher drauf.
Dem nachfolgenden Text liegt ein Zeitungsartikel des Journalisten Dieter Fluck zugrunde.
Mord am Dom
Dieses in die Mauer gehauene Kreuz weist auf eine schauerliche Tat hin. Im Schatten des Doms wurde 1929 eine junge Frau ermordet; eine Bluttat, die ganz Limburg und die Menschen darüber hinaus schockiert hatte.
Dieses Ereignis soll nicht vergessen gehen, weshalb der Limburger Klaus Lanio die Geschichte recherchierte und als „Die Geschichte vom Limburger Mauerkreuz“ aufschrieb. Ihm war es vor allem ein Anliegen, dass im Zuge der Neugestaltung des Domplateaus dieses Zeugnis erhalten bleibt.
Es geht um die 24-jährige Helene Schneider, die am 4. Juni 1929 kurz vor 20 Uhr an dieser Stelle von ihrem ehemaligen Freund mit mehreren Stichen ermordet wurde. Um diese Zeit fand die Brüdermesse statt, so dass einige Kirchenbesucher Zeuge wurden, aber nicht einschritten. Nur der zwölfjährige Bube Fritz Suder aus dem Haus Römer 1 blieb stehen und versuchte, Hilfe bei seinem Vater zu holen. Der Täter flüchtete in Richtung Lahn und konnte dort unter einem Baum sitzend dingfest gemacht werden.
Mehrfach mit der Justiz im Konflikt
Die Geschichte spielte nicht alleine in Limburg statt, sondern begann in Kaiserslautern. Dort betrieb der Vater von Helene Schneider einen Altwarenladen. Sie arbeitete in dem väterlichen Laden und lernte dort den Gelegenheitsarbeiter Rudolf R. kennen. Dieser gerät mehrfach mit der Justiz in Konflikt. „Aus dem Gefängnis entlassen, reduziert er den Alkohol, kauft stattdessen seiner Geliebten Kleider und Geschenke“, so Dieter Fluck im Artikel. 1924 gebärt Helene eine Tochter, die allerdings einen Tag später bereits stirbt, R. meldet die Vaterschaft und Tod beim Standesamt an.
Helene wendet sich zunehmend von R. ab, der darauf sehr eifersüchtig reagiert. Er tut ihr Gewalt an, droht ihr Rache an, geht auf sie los. Helene vertraute ihrer Mutter an, dass sie lieber tot sei, als diesen Mann zu heiraten.
Reise nach Limburg
Im Jahr 1929 macht Helene Bekanntschaft mit dem jungen Schausteller Heinrich, welcher mit seiner Familie aus Wolfenhausen kommt. Die beiden empfinden Zuneigung zueinander, schreiben sich Briefe und Heinrich lädt sie nach Limburg ein. Das Geld stammt von r. der als Stoffhausierer in Norddeutschland unterwegs ist und das Geld zu ihr nach Hause schickte.
Am 1. Juni trifft Helene am Limburger Römer ein; am gleichen Tag R. in Kaiserslautern. Er möchte Helene besuchen, doch trifft sie nicht an. Bei einem Einbruch bei ihr zu Hause erfährt er von ihren Reiseplänen nach Limburg und folgt ihr in die hessische Stadt. Helene hat derweil Zukunftspläne und möchte nicht mehr nach Hause zurückkehren. Sie bittet ihre Mutter, ihr Kleidung zu schicken.
R. folgt ihr nach Limburg und kommt durch eine Finte an Helene heran. Er erzählt ihr, ihr Vater sei gestorben. Sie erklärt sich zu einer Aussprache bereit, in deren Verlauf es zu einem Streit kommt und R. auf die junge Frau einsticht. Fritz Suder, der kleine Bruder von Heinrich, wurde Zeuge der Tat.
Großes Interesse am Prozess
Das Interesse der Bevölkerung am Prozess vor dem Limburger Landgericht war groß. Es mussten sogar Eintrittskarten ausgegeben werden. R. wird wegen Totschlags zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm für diese Zeit aberkannt.
Klaus Lanio: „Vermutlich haben aufgebrachte Bürger das Kreuzchen zum Andenken an das Opfer in die Mauer gemeißelt.“ Wie der Autor ergänzend berichtet, lebte der Täter von allen Beteiligten am längsten und starb erst Ende der 1980er Jahre hochbetagt. Der kleine Zeuge Fritz Suder wurde gegen Kriegsende bei den Pallottinern von den Amerikanern bei dem Versuch erschossen, die letzte Stellung zu halten. Er wurde 28 Jahre alt.
Manchmal lohnt es sich, mit offenen Augen durch die Region zu gehen. Und beim nächsten Mal halten wir vielleicht kurz inne und gedenken dieser jungen Frau, die nur ihr Leben leben wollte.