Schlosskirche Weilburg – Machtdemonstration und Demokratie
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Gebaut, um den absoluten Machtanspruch des Fürsten sichtbar zu machen, ist die Schlosskirche Weilburg heute ein Ort der Demokratie und des Miteinanders.
Manchmal betritt man ein Gebäude und freut sich einfach an der Gestaltung und der Wirkung des Raumes auf einen selbst. Und manchmal hat man die Möglichkeit, mehr über ein Gebäude zu erfahren und viel tiefer in die Materie einzudringen. Dies war möglich am Tag des offenen Denkmals in der Schlosskirche in Weilburg. Dank der Führung von Pfarrer Guido Hepke sehe ich die Schlosskirche heute mit anderen Augen.
Schlosskirche Weilburg als Machtdemonstration
Wer die barocke Schlossanlage in Weilburg besucht, kommt an der Schlosskirche nicht vorbei. Sie zählt zu den Denkmälern in Deutschland, ist die größte, lutherische, durch einen Fürsten gebaute Kirche und gilt als bedeutendste evangelische Kirchenbau aus der frühen Neuzeit in Hessen (so im Prospekt des Stadtrundgangs Weilburg zu lesen).
Über die Obere Orangerie ist die Schlosskirche mit dem Schloss verbunden und sie steht als Symbol für das absolutistische Weltbild, welches damals unter Graf Johann Ernst von Nassau-Weilburg existierte. Bevor die Schlosskirche erbaut wurde, standen dort die Andreas- und die Martinskirche. Doch für den Grafen, der in seiner Jugend durch ein Leben in Versailles geprägt wurde, waren diese alt und nicht prächtig genug, so dass diese abgerissen und durch den neuen, barocken Kirchenbau ersetzt wurden. Im Zusammenhang mit dem Neubau der Kirche fand auch eine umfangreiche Renovierung und Erweiterung des Schlosses zur heutigen Anlage statt. Der Abbruch der beiden alten Kirchen und Neubau der Schlosskirche fanden zwischen 1707 und 1713 statt.
Neben der Schlosskirche befindet sich das alte Rathaus, heute Restaurant und Musikschule. Somit war die städtische Selbstverwaltung direkt neben der Kirche in das damalige Herrschaftssystem eingebunden und für den Magistrat gab es eine Gottesdienstpflicht. Dieser nicht nachzukommen, konnte sich negativ auf die Personen auswirken.
Und so ist auch die Aufteilung der Kirche eine reine Machtdemonstration des damaligen Fürsten gewesen. Die Geistlichkeit – dargestellt im Altar, der Kanzel und der Orgel – stehen der Weltlichkeit – die Sitzbänke des Magistrates und der Fürstenloge – gegenüber. Im Kirchenraum befanden sich Sitzbänke, die streng nach Ortschaften getrennt waren. Je höher der Stand, umso bessere Sitzplätze gab es und je näher man dem Fürsten saß, umso besser war der eigene Stand. Der Gottesdienst war für den Fürsten eine Möglichkeit, Hof zu halten und sich zu zeigen. Er stand über allem. Und die Sitzbänke waren so angeordnet, dass ihm niemand seiner Untertanen den Rücken zukehren konnte. Die Kirche stand damals für eine riesige Prachtentfaltung: „Ich bin der Fürst und alle sind mit untertan!“
Schlosskirche als Ort der Demokratie
Über der Loge befindet sich ein Halbkuppelgewölbe aus Ziegelstein, welches mit reichlich Stuck verziert ist. Auch bei dieser Gestaltung ist zu sehen, dass alles aufs Repräsentieren ausgelegt war.
Doch heute ist die Fürstenloge leer, niemand „thront“ mehr über den Besuchern des Gottesdienstes. An besonderen Tagen wird sie für Führungen geöffnet. Die Farbe sind verblasst, die einstmalige Herrlichkeit erst auf den zweiten Blick zu erkennen.
Und auch der Kircheninnenraum und die Anordnung der Bänke wurde verändert. Die Besucher sitzen in einer kreisförmigen Anordnung, alle sitzen auf einer Höhe. Dies führt zu einer anderen Interpretation des des Kirchenraumes. „Alle sitzen im Kreis, alle sind gleich, es macht das demokratische Miteinander aller sichtbar“, so Pfarrer Guido Hepke bei der Führung. Und er wünscht sich, dass die Fürstenloge auf immer leer bleibt und das demokratische Miteinander erhalten bleibt. Mehr dazu auch in diesem Statement von ihm.
Restaurierung der Orgel
Wer sich bei der Führung zum Tag des offenen Denkmals unter das Dach wagte, konnte einige interessante Dinge zur Orgel erfahren, welche sich gerade in der Restaurierung befindet. Ursprünglich wurde eine barocke Orgel eingebaut. 1902/03 wurde diese durch eine Sauer-Orgel ersetzt. In den 1970er Jahren fand eine Restaurierung statt und es wurden wieder einige alte barocke Pfeifen in die Orgel integriert. Und dann stimmte das Klangbild gar nicht mehr. Dank einer Denkmalförderung vom Bund sowie einer hohen Spendenbereitschaft wird die Orgel aktuell restauriert und soll hoffentlich bis zum Reformationstag wieder ihren vollen Klang entfalten können. Zahlreiche Geschichten und Einblicke hält die Schlosskirche Weilburg für die Besucher bereit. Nicht alle Geheimnisse sind jederzeit zu entdecken, daher die Augen offenhalten, wenn Führungen angeboten werden.
Mehr zur Schlosskirche Weilburg erfahrt ihr auf der Homepage der Evangelischen Kirchengemeinde Weilburg.