Zahlreiche Schmuckstücke im alten Ortskern Niederbrechen
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Niederbrechen wirkt recht unscheinbar, wenn man auf der B8 durch den Ortsteil fährt oder einen Blick aus dem Zugfenster wirft. Doch es lohnt sich, anzuhalten und ein paar Meter zu laufen. Dann erhält der Besucher einen faszinierenden Blick auf verschiedene Fachwerkhäuser, welche den alten Ortskern zu einem wahren Schmuckstück machen.
Obwohl Niederbrechen immer ländlich geblieben ist, erhielt es von Kaiser Karl IV. Stadtrechte, im Zuge dessen eine Stadtmauer von 1367 – 79 entstand. Von dieser Stadtmauer ist heute noch der Gefangenenturm übrig sowie einzelne Stücke, welche in Wohnhäuser eingebaut sind.
Zwei große Ortsbrände gab es im Ort. Beim zweiten Großbrand 1872 brannte das halbe Dorf nieder. Im 17. Jahrhundert gab es einen Bauboom im Ort. Aus dieser Zeit stammen die meisten Häuser im alten Ortskern.
Schmuckstück Altes Rathaus
Interessantes zur Geschichte und zu den Begebenheiten vor Ort erfährt man vom Architekten Stephan Dreier, der auf Baudenkmalpflege spezialisiert ist. Er erkennt die Schmuckstücke unter dem Putz und berät die Gemeinde wie auch zukünftige Hausbesitzer bei der fachgerechten Sanierung. So hat sich in den letzten Jahren ein schmucker Ortskern entwickelt, der viele Geschichten in sich birgt.
Von der B8 empfehle ich, die Rathausstraße hochzugehen. Der Weg führt direkt zum alten Rathaus. Dieses wurde um 1700 erbaut und erhielt bereits 1722 den ersten Anbau. Etwas später folgte mit dem Backes ein weiterer Anbau. Irgendwann wurde das Gebäude von außen verputzt und auch im Inneren extrem umgebaut, bevor es die Gemeinde 2001 sanieren ließ. Dabei wurde im Obergeschoss ein großer Saal entdeckt, in dem heute Trauungen stattfinden.
Außen blickt man auf einen Fränkischen Erker, welcher früher reich beschnitzt war. Heute sind die Balken nur noch uneben, denn beim Verputzen des Gebäudes wurden die Schnitzereien abgeschlagen. Neben der Nutzung als Trauung kann sich der Bürgermeister Frank Groos auch vorstellen, dass dort Sitzungen oder kleinere Veranstaltungen stattfinden können. In seinen Augen ist das Alte Rathaus das prominenteste Gebäude der Gemeinde, weshalb es auch der Öffentlichkeit zugänglich sein sollte.
Die Bemalung des Alten Rathauses sind dem Original angepasst. Im Gebäude finden sich ein originaler Lärchenboden sowie eine gerettete Originaltür. Und das ist auch etwas, was den Architekten antreibt: „Das Haus ist immer Chef und bestimmt, wo es bei der Sanierung langgeht.“ Und so finden sich Fenster nicht dort, wo sie für mehr Lichter sorgen, sondern Fenster kommen nur da hin, wo auch von Anfang an Fenster vorhanden waren. Beim ersten Bau des Alten Rathauses war die Seite, welche zur Kirche zeigte, als Steinfassade gearbeitet. Nachdem Anbau kam an diese Seite nichts mehr dran, daher ist diese noch gut erhalten. Die Steinfassade war mal die repräsentative Seite, doch irgendwann fand eine Verlagerung statt auf die Vorderseite.
Vom Alten Rathaus geht es weiter die Rathausstraße hinauf. Am ehemaligen Haus des Schultheis finden derzeit Sanierungsarbeiten statt und es besteht nur eine Ahnung davon, wie schön es mal wird. Gerade hoch ragt bereits der Gefangenenturm empor. Linker Hand in einem Hof etwas unscheinbar versteckt befindet sich die älteste Scheune des Ortes.
Wie ein Oval umschließt die Turmstraße den alten Ortskern und so einige Schmuckstücke lassen sich entdecken. Der Gefangenturm mit links und rechts ein Stück Stadtmauer weiß auch so einiges zu erzählen. Er besteht aus Brecher Stein, welcher schon immer sehr stark verwittert, weshalb der Turm von jeher verputzt war.
Auch weisen die angeblichen „Zinnen“ darauf hin, dass der Turm ursprünglich höher war. Denn bei diesen Ausbuchtungen handelt es sich um ehemalige Fenster. Der Turmstraße weiter folgend gibt es einen schönen Blick in die Burgstraße, in welcher alle Häuser gut erhalten sind und alle aus dem 17. Jahrhundert stammen.
Die Turmstraße führt direkt zur imposanten Kirche. Vor dem Kirchentor stehend gibt es einen sehr schönen Blick auf den alten Ortskern.
Häuser erzählen Geschichten
Das alte Pfarrhaus steht leider nicht mehr. Doch Schnitzereien des alten Pfarrhauses befinden sich links und rechts der Tür des neuen Pfarrhauses. Ansonsten zeigen nur alte Fotos, dass sich doch einiges in den letzten 70 Jahren im Ortskern verändert hat. Das Pfarrhaus ist nämlich nicht das einzige Gebäude, welches in den 50er Jahren abgerissen wurde. Dank der ehrenamtlichen Arbeit von Stephan Dreier ist die Geschichte in Niederbrechen sehr gut rekonstruiert. Und neben der Dorfgeschichte erzählen die Häuser auch eigene Geschichten wie Veränderungen im Bau durch veränderte Hofeinfahrten, wie über die Berufe der Bewohner oder auch Geschichten über Erben bei geteilten Häusern wurden.
Das Büro des Architekten befindet sich im ehemaligen „Säuhaus“, dem Wohnhaus des Schweinehirten, welches 1662. Mit den Nachbargebäuden und dem Alten Rathaus handelt es sich um das Kernstück der unter Denkmalschutz stehenden Gesamtanlage im alten Ortskern. Neben vielen Geschichten zeigt dieses Haus an seiner Schwelle, wie in den letzten Jahren die Straße immer weiter nach oben wuchs. Die aktuelle Schwelle liegt um einiges höher als im Original.
Ein kleiner Spaziergang durch den Ortskern mit offenen Augen lässt einiges entdecken. Sehr viele Haustafeln über den Türen sind noch erhalten. Sie zeugen davon, wer die Häuser erbaute, sind manchmal mit einer Prise Humor gewürzt und sie zeigen von Kreativität, wenn die Tafel zu klein war, aber ein Wort noch nicht zu Ende geschrieben war.
Und wer nach dem Rundgang noch ein wenig Zeit hat, dem empfehle ich einen Besuch in der Eismanufaktur Niederbrechen direkt an der B8.